Mitteilungen aus dem Saterfriesisch-Büro

Dät Näiste


05.03.2025Ein Student der Universität des Saarlandes hat untersucht, welche Faktoren das Verständnis des Saterfriesischen bei deutschsprachigen Probanden beeinflussen. Tsan Tsai Chan stammt aus Singapur und studiert in Saarbrücken Computerlinguistik. Er spricht fließend Deutsch, Niederländisch und Englisch und hat sich im vergangenen Jahr im Rahmen seines Studiums intensiv mit der saterfriesischen Sprache beschäftigt. Zuvor hat er in Leipzig Sprachwissenschaft studiert. Bedrohten Sprachen gilt sein besonderes Interesse. Chan hat Versuchspersonen ohne Saterfriesischkenntnisse Sätze in saterfriesischer Sprache vorgelegt. Sie mussten entweder das passende Wort auswählen, das in eine Lücke passte, oder versuchen, die Bedeutung eines Wortes in den jeweiligen Sätzen zu erraten. Es stellte sich heraus, dass dies einfacher war, wenn das Wort seiner deutschen Übersetzung ähnelte. Dies war jedoch nicht der wichtigste Faktor. Wichtiger noch war die Verständlichkeit des restlichen Satzes. Wenn der Kontekt nachvollziehbar war, konnte sogar die Bedeutung von Wörtern wie “Soaks” (Messer) erschlossen werden. Chan hat eine englischsprachige Arbeit verfasst, in der er seine Ergebnisse beschreibt. Diese Arbeit sowie den dazugehörigen Datensatz finden Sie weiter unten. Zudem hat Chan gemeinsam mit Henk Wolf, der ihn bei seiner Forschung unterstützt hat, einen kurzen Beitrag zu einem neuen Sammelband zum Saterfriesischen und Niederdeutschen geschrieben. Dieser wird im Laufe dieses Jahres erscheinen. [...]


Marc Wübbenhorst, 13.2.2025 Minderheiten- und Regionalsprachen wie das ostfriesische Plattdeutsch und das Saterfriesische stehen vor der Herausforderung, in modernen Medien und der Musiklandschaft präsent zu bleiben. Ihre feinen sprachlichen Nuancen, Mehrdeutigkeiten und idiomatischen Wendungen lassen sich jedoch nur schwer digital generieren. Bisher ist keine generative KI fähig, „selbständig“ saterfriesischen oder ostfriesisch-plattdeutschen Text zu verarbeiten. Seit einiger Zeit gibt es Programme, die Texte in Musik umsetzten können. Ich habe einen Weg erarbeitet, mithilfe der KI ostfriesisch-plattdeutsche Musik zu produzieren. Henk Wolf hat diese Idee bereits diskutiert und darauf hingewiesen, dass KI (musikgebende) generative künstliche Intelligenz) eine Möglichkeit für das Saterfriesische bieten kann. Ich habe dieses Thema jedoch weit darüber hinaus vertieft: Ich nutze KI als Hilfsmittel, um plattdeutsche Musik völlig neu zu denken. Mein Ansatz zeigt, dass KI- gestützte Musik nicht nur Fortführung unterstützt, sondern auch das Besetzen neuer Domänen in neuen musikalischen Kontexten fördern kann. Die Herausforderung liegt darin, dass KI-Systeme bisher keine ostfriesisch-plattdeutschen oder saterfriesischen Texte generieren können, die zudem noch den sprachlichen Besonderheiten gerecht werden. Musikgebende Programme können das Saterfriesische oder Ostfriesisch-Plattdeutsch bisher nicht richtig in Gesang umwandeln. Hier ist auch die dialektale Vielfalt ein Hindernis. Ich löse dieses Problem durch eine Kombination aus KI-generierten musikalischen Strukturen und handwerklich geschriebenen Texten, für die ich einen eigenen Prompt und eine Methode der Nachbearbeitung entwickelt habe. Meine Musikstücke basieren völlig auf handgeschriebenen Texten, die KI liefert dazu die passende Stimme und die Musik.Ich nutze die Technologie, um Melodien und musikalische Atmosphären zu schaffen, während die sprachliche Feingestaltung also weiterhin in menschlicher Hand liegt. Im Prinzip ist es wie ein Werkzeug, vergleichbar mit dem Synthesizer. Ich habe aufgrund der Fülle der bisher produzierten Musik das Label marque music gegründet. Obwohl ich in Bielefeld wohne, bin ich ostfriesisch-plattdeutscher Muttersprachler und unterrichte Niederländisch, Friesisch und Deutsch.Meine Musik führt zu einzigartigen Ergebnissen, die sowohl die emotionale Tiefe, Mehrdeutigkeiten und Sprechgewohnheiten der Sprache und als auch moderne Hörgewohnheiten berücksichtigen und weiter ausloten und völlig neue Werke sind: So entstanden 30 Tango-Stücke und zwei Dark-Wave-Alben, neben Country und Schlager und anderen Hierzu entwickelte ich die Personas „Geert Jansen“ und „Marijke Jansen“, die als künstliche Interpreten ihre eigene Stimmfarbe, Themenwelt und Charaktere haben. Besonders wichtig war mir hier, dass die Songs eine emotionale Tiefe erhalten, zu der die KI nicht im Stande ist. Es sind eben um echte Gefühle. Wichtig war es, dass die Musik ausgetretene Pfade verlässt: Es ginge mir nicht um das hundertste Lied „achtern Diek bün ik Tohuus“ zu trällern, sondern um marktgängige, framingfreie Texte aus allen Genres, die im besten Fall radiotauglich sind. Die Postproduktion dieser Musik ist durchaus aufwendig: KI liefert solide Entwürfe, die dann gezielt nachbearbeitet werden. Die Texte müssen adaptiert, Betonungen angepasst und Klangfarben auf die sprachlichen Eigenheiten abgestimmt werden. Das Resultat sind Lieder, die  moderne Klangwelten erschließen und bestimmte Muster der bisherigen Musik verlassen. Zum Teil wurden die Lieder auch durch Musikvideos ergänzt. Ein wichtiger Aspekt dieses Ansatzes ist die Überwindung der strukturellen Benachteiligung von Minderheitensprachen in bzw. durch textgebende KI-Systemen. Während große Sprachgemeinschaften von einer Fülle an KI-generierten Inhalten profitieren, bleibt der Anteil für kleinere Sprachen gering. Durch gezielte künstlerische und sprachwissenschaftliche Eingriffe kann diese Kluft jedoch teilweise überbrückt werden. Und das gelingt annähernd gut. Marijke Jansen hat einen leichten niederländischen Akzent, aber dann kommt sie eben aus Neuschanz. Mit der Kombination aus Musik, Sprache und Technologie möchte ich zudem neue Verbindungen zwischen Sprachgemeinschaften schaffen. Plattdeutsche Musik erreicht inzwischen auch Hörer in den Niederlanden, hier bei ist es durchaus hilfreich, das die Texte wenige Wörter aus dem Deutschen beinhalten und für Niederländer*innen mit Nedersaksies-Kenntnissen gut zu verstehen sind. Nicht nur deswegen läuft die Musik auch in den Niederlanden im Radio. Sie hört sich auch gut an und ist tanzbar. Es berichteten Radio Ostfriesland und der NDR über das Projekt. Ebenso freuen sich Passiv-Sprecher des Niederdeutschen über Marijke Jansens Schlagertexte. Solche Projekte zeigen, dass innovative Mediennutzung nicht nur künstlerisch bereichernd ist, sondern auch einen Beitrag zur Zukunft von Minderheitensprachen leisten kann. Für das Saterfriesische kann dies ein gutes Beispiel sein. Für die weitere Professionalisierung dieses Ansatzes und der kreativen Arbeit an Wort und Klang werden zur Zeit Projektförderer gesucht. Beispiele https://www.youtube.com/watch?v=LGsDHSyDCoQhttps://www.youtube.com/watch?v=8UgvYGYBUJY83 01 WKDA DE CELEB Rainer 16×9 Broad M25+Spotify – Katalog und zum hörenhttps://open.spotify.com/intl-de/artist/0jkdbPwUdHxbnU0qhdCupw Marc Wübbenhorst / Projektseite www.marc-wuebbenhorst.de [...]
Henk Wolf, 9.1.2025 Letztes Jahr saßen der Filmemacher Christoph Knorr und ich bei Georg und Sonja Pahl in Wittensand in der Küche. Wir bereiteten das erste Interview in der Videoreihe “Anne Äi” (An der Sagter Ems) vor. Darin stand Georg im Rampenlicht. Er erzählte über die Bauernarbeit im Saterland, sowie er die aus eigener Erfahrung kannte. Als Kind hatte er die ersten Trekker erlebt und jetzt sah er wie viele Bauer Mais anbauten und sich Biogasanlagen widmeten. Konservativ war er nicht, er empfahl jungen Bauern, die Modernisierungen in die Arme zu schließen. Er mochte das Bauernleben, aber idealisierte es nicht. Es war manchmal hart, sagte er. Festlich war es manchmal auch, sogar in der armen Zeit wurde ab und zu ein Schwein geschlachtet und dann gab es für alle Speck. Das Schlachten war immer seine Aufgabe, seine Schwestern wollten noch keine Henne schlachten, berichtete Georg. Sogar im Alter schlachtete er ab und zu noch ein Huhn für seine Enkelkinder. Das alles erzählte Georg im schönsten Saterfriesisch. Er sprach eine sehr reiche und schöne Variante der saterländischen Sprache und nicht umsonst rief ich häufig bei ihm an, wenn ich eine Sprachfrage hatte. Die beantwortete er dann immer freundlich und geduldig. Übrigens korrigierte er mich auch ständig, denn ihm war viel daran gelegen, dass die Sprache richtig gesprochen wurde. Sagte ich mal “jee” (ja), wurde ich sofort korrigiert, denn in Wittensand wurde nicht “jee” sondern “jäi” gesagt.Ein paar Mal war ich bei ihm auf dem Hof. Er lebte mit seiner Frau Sonja in seinem Wittensander Geburtshaus und wartete immer draußen vor der Tür auf seine Gäste. Er saß dann auf seiner Gehhilfe und rauchte eine Zigarette. Man sah ihm an, dass er sich über den Besuch freute und jedes Mal machten wir eine kleine Runde durch den Garten, wo er stolz seine Hochbeete und sein Gewächshaus zeigte.Georg Pahl war jahrelang Vertreter der Saterfriesen im Friesenrat und pflegte viele Kontakte zu den Friesen in den Niederlanden, in Ostfriesland und in Schleswig-Holstein. Leider war ihm das in den letzten Jahren aus gesündheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Am 7. Januar ist er im Alter von 71 Jahren gestorben. Ich werde ihn vermissen. [...]
Henk Wolf, 28.10.2024 Es gibt verschiedene Wörterbücher der saterfriesischen Sprache. Unter den Saterländern finde ich vor allem die gedruckte “Provisoriske Woudelieste” von Pyt Kramer und das “Saterfriesisches Wörterbuch” von Dr. Marron Curtis Fort. Ebenfalls bekannt und beliebt sind die Wörterbuchwebsite www.saterfriesisches-wörterbuch.de und die damit verbundende Smartphone-App. Wer weitere Nachschlagewerke sucht, findet diese auf der Website des Seeltersk-Kontoor www.seeltersk.de unter “Projekte”. Vor allem das von Pyt Kramer verfasste “Formen-Wörterbuch des Saterfriesisch” ist ein großer Sprachschatz. In der heutigen Form lässt sich darin jedoch noch nicht einfach etwas nachschlagen. Man muss durch den Text scrollen, während man in der App einfach ein Suchwort eingeben kann. Daher wird die App dieses Jahr aktualisiert. Partner im Saterland und in Westfriesland arbeiten gemeinsam an einer Bearbeitung, die es allen ermöglicht, schnell und einfach ein saterfriesisches Wort ins Deutsche zu übersetzen oder umgekehrt. Auch wenn das Projekt abgeschlossen ist, wird eine solche App bei Weitem nicht alle saterfriesische Wörter enthalten. Vor einigen Jahren habe ich unter den Saterländern nachgefragt, welche Vogelnamen sie kennen. Da habe ich schon einige gefunden, die nicht in den Wörterbüchern stehen. Diese sind übrigens auch auf der Website unter “Projekte” zu finden. Es gibt sicherlich noch viele weitere Wörter, die nie aufgezeichnet wurden. Da wir nicht wollen, dass diese Wörter verloren gehen, möchte ich sie soviel wie nur möglich festlegen. Daher hiermit eine Bitte, an alle, die Saterfriesisch sprechen oder die Sprache im Ohr haben: Kennen Sie saterfriesische Wörter, die nicht im Wörterbuch stehen, dann melden Sie sich doch kurz bei mir. Ein neues Wörterbuch könnte dann auch Ihre Beiträge enthalten. Vogelnamen fehlen noch viele, aber auch Namen für Käfer und Getränke, oder ganz einfache Wörter wie “leider”, “Junggeselle” und “Betreuerin” sucht man vergebens. [...]



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