“Bitte sehr!”
Henk Wolf, 7.3.2023
Wer jemandem etwas gibt – man gibt einer Verkäuferin zum Beispiel Geld für eine Flasche Wasser – der kann auf Hochdeutsch “Bitte sehr!” sagen. Eigentlich ist das merkwürdig, denn mit bitten hat der Vorgang nicht im Entferntesten zu tun. Auf Niederländisch sagt man “alstublieft” – “wenn es Ihnen beliebig ist”, was nur ein bisschen sinnvoll ist, da die Verkäuferin doch sicherlich darauf besteht, dass man für sein Käufe bezahlt. Das spanische “por favor” heißt wörtlich “als Gefälligkeit” und eine Bezahlung in einem Geschäft ist natürlich alles außer einer Gefälligkeit des Kunden. Die Nordfriesen sagen “weesegödj” – sei so gut (mein Geld anzunehmen), was gleich merkwürdig ist. Noch komischer machen es die Engländer mit ihrem “Here you are!” – hier bist du. Das im niederländischen, niederdeutschen und im hochdeutschen auch bekannte, aber informelle “Hier!” ist dann doch viel logischer.
Die Westfriesen haben eine etwas andere Formel, die sagen in so einem Fall “Sjoch!”, was ‘Guck!’ oder ‘Schau mal!’ bedeutet, als ob die Verkäuferin sonst das Geld übersehen könnte, das ihr vor die Nase gehalten wird. Möglicherweise haben sie dies von den Franzosen kopiert, die ‘voilà’ sagen – was ursprünglich zwei Wörter waren: “Vois là!”: Guck da!
Und die Saterfriesen? Ich höre aus saterfriesischen Munden heutzutage vor allem das deutsche “bitte”. Eine Saterländerin erzählte mir jedoch, dass man auf Saterfriesisch traditionell “Hol!” (ausgesprochen wie “holl”) sagte, also “halt”, von ‘halten, anfassen’. Die Saterfriesen forderten die Verkäuferin quasi dazu auf, das Geld in die Hand zu nehmen. Diese Formel soll auch noch in mehreren Texten belegt sein, ist heutzutage jedoch nicht mehr so üblich. Die Gruppe von unserem saterfriesischen Sprachkurs, bei dem ich einmal der Woche mitmache, hat sich dafür entschieden, dieses alte Wort wiederzubeleben.
Kennen Sie dieses “Hol!” für “Bitte sehr!”? Oder verwenden Sie eine ganze andere Formel? Dann lassen Sie es mich wissen, ich höre es gerne.
(Auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen.)