Boudel

Henk Wolf, 25.4.2022

Saterfriesisch hat das Wort ‘Boudel’, das sich nicht einfachs ins Hochdeutsche übersetzen lässt. Plattdeutsch kennt es als ‘Bodel’ und auch im niederländischen Groningen kommt es im Dialekt als ‘Boudel’ vor, während Westfriesisch und Niederländisch es als ‘boel’ kennen.
‘Boudel’ bedeutet machmal so etwas wie ‘Situation’, ‘Lage’: ‘n fertroalden Boudel’ ist ungefähr ‘eine schwierige Situation’. ‘Wät n Boudel!’ ist so etwas wie ‘Was für ein Zustand!’ Konkretere Bedeutungen hat es auch, darunter ‘Hausrat’, aber auch ‘Zeug’, ‘Kram’, ‘Gepäck’, ‘alles was man dabei hat’: ‘de ganse Boudel wäch-gooie’ ist ‘alles entsorgen’. ‘n Boudel’ ist auch ‘viel’, ‘eine Masse’: ‘n Boudel Ljudene’ ist ‘viele Menschen’.

Im Westfriesischen hat sich die Bedeutung noch etwas weiter ausgedehnt, aus der Bedeutung ‘Hausrat’ ist die Bedeutung ‘Erbe’ hervorgegangen. Im Westfriesischen, eine Sprache, in der sich Wörter einfach zusammenlegen lassen, wird es vielfach verwendet um Bedeutungen weniger konkret zu machen: ‘de pakjeboel’ sind ‘die Geschenke und alles was damit zusammenhängt’, ‘boekjeboel’ sind Bücher, Zeitschriften und so weiter.

Ein praktisches Wort mit vielen Bedeutungen also, aber wo kommt es her? Es besteht aus zwei Teilen: -el ist eine alte Verkleinerungsendung, die wir noch aus süddeutschen Mundarten kennen (‘Hänsel und Gretl im Wäldl’), die aber früher auch im Norden üblich war. Der erste Wortteil ist mit ‘bauen’ verwandt und beteutet ursprünglich so etwas wie ‘Gebäude’, ‘Haus’.

Verwandte Wörter haben wir im Deutschen heutzutage noch. ‘Bude’ ist ein deutliches Beispiel, auch das war ursprünglich ein Gebäude. Auch das Englische ‘booth’ (Bude, kleine Scheune, Telefonzelle) hat den gleichen Ursprung.

Wer ein bisschen Niederländisch spricht, der hat sicherlich mal das Wort ‘heleboel’ gehört: ‘een heleboel mensen’ bedeutet ‘eine ganze Masse Menschen’, ‘viele Leute’. Die Wörter ‘hele’ und ‘boel’ sind in der Nachbarsprache zu einem einzigen Wort verschmolzen.

(unter dem Titel “Praktisch und vieldeutig” auch als Kolumne im General-Anzeiger erschienen)