Conrad

Henk Wolf, 6.9.2022

Wohl alle Saterländer kennen ihn, den großen freundlichen Riesen aus Bollingen, Conrad (Kurt) Niemeyer. Er gehörte diesen Frühling zu den festen Besuchern im Mandehuus, wo ich jeden Montag Vormittag eine Sprechstunde hielt. Herzlichsten Dank an dieser Stelle an den Bürgerverein Strücklingen, der mir die Chance dazu geboten hat!

Conrad Niemeyer war fast jede Woche da, ab und zu alleine, manchmal auch mit Freunden und Bekannten. Er hat mir sehr viel über die Sprache und Geschichte des Saterlandes beigebracht, hatte immer wieder neue wunderbare Geschichten auf Vorrat und nahm sogar Zeitungsausschnitte und Wörterlisten mit, die mir bisher unbekannte saterfriesische Wörter enthielten.

Eine Sache, die mir Conrad Niemeyer erzählte, war die Entwicklung seines Namens. Wie ich es auch aus meiner Heimatprovinz Fryslân kenne, gibt es bei vielen Menschen einen Unterschied zwischen “wie man sich schreibt” (also wie man standesämtlich heißt) und “wie man sich nennt” (welchen Rufnamen man hat). Genau dasselbe Idiom wird in Fryslân auch verwendet. Standesämtlich heiße ich Hendrikus Abraham Ytsen, aber alle nennen mich immer nur Henk.

Jeder im 19. Jahrhundert geborene Conrad wurde im Saterland Kauert genannt, so hörte ich. In Schriftstücken ist davon wenig zurück zu finden, weil man schriflich eben an den offiziellen Namen festhielt. Um 1900 änderte sich diese Tradition. Man “schrieb sich” zwar weiterhin Conrad, aber der Rufname wurde zu Konnie. Die Konnies hielten es bis etwas 1925 aus und dann fing die Zeit an, in der der saterländische Conrad sich Kurt nennen ließ. Der 1934 geborene Conrad Niemeyer stammt aus dieser Periode und vertritt mit einigen Altersgenossen diese Namensgebungs-Phase.

Ab etwa 1960 ließ jeder neue Conrad sich ganz einfach Conrad nennen: der Unterschied zwischen “sich X schreiben” und “sich Y nennen” verschwand allmählich und nach etwa 1970 holten sich die Saterländer Kindernamen nicht länger aus der Verwandtschaft und wurde der Name Conrad nicht mehr gegeben.

(Auch als Kolumne im General-Anzeiger erschienen.)