Der Sprachname “Seeltersk” im Deutschen
Henk Wolf, 20.7.2023
Journalisten haben ein merkwürdiges Stilmittel erfunden, das sie eigentlich nur für kleine Sprachen verwenden. Außerhalb von journalistischen Kreisen trifft man es nur selten an. Warum sie es verwenden, ist mir bislang nicht völlig klar.
Könnten Sie sich vorstellen, dass eine Zeitung folgenden Satz enthalten würde? “In Deutschland sind die meist gesprochenen Fremdsprachen das English und das Français.” Oder “Español und Português sind eng verwandte Sprachen.” Oder “In der Ostukraine wird von der Bevölkerung zuhause vor allem по-русски gesprochen.”
Das wäre doch ziemlich seltsam, oder? Die soeben erwähnten Sprachen heißen auf Deutsch “Englisch”, “Französisch”, “Spanisch”, “Portugiesisch” und “Russisch”. Wer Deutsch spricht oder schreibt, verwendet die deutschen Sprachennamen mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie “Tisch”, “Straße” und “Sahnetorte”.
Ein wenig anders ist es mit kleinen Sprachen. In deutschsprachigen Zeitungsberichten wird statt “Saterfriesisch” oft “Seeltersk” verwendet. Statt “Nordfriesisch” hört und liest man oft “Friisk” oder “Frasch”. Das ist kein rein deutschsprachiges Phänomen: in niederländischsprachigen Medien trifft man auch öfters “Frysk” statt “Fries” an. Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem niederländischen Journalisten über meine Arbeit. Während des Interviews nannte ich die Sprache des Saterlandes konsequent “Saterfries”. Das ist der niederländische Name. Nachher fragte der (übrigens sehr gute) Journalist, ob er in dem gedruckten Text stattdessen “Seeltersk” schreiben durfte. Mit dieser Änderung war ich nicht einverstanden.
Ich glaube und hoffe, dass diese Neigung, die Eigenbenennung zu verwenden, eine Art Anerkennung der kleinen Sprache ist. Sie ist sicherlich nicht böse gemeint. Gleichzeitig würden wir Ähnliches bei der Andeutung von größeren Sprachen für absurd halten. Auch könnte es so wirken, als ob man der kleinen Sprache eigentlich keinen echten deutschen oder niederländischen Namen gönne.
(Unter dem Titel “Seeltersk oder Saterfriesisch” auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen)