Do Hannen ap’t Rik ljuchte

Henk Wolf, 9.1.2023

Neulich saß ich mit einem saterländischen Bekannten im Auto. Wir unterhielten uns über alles mögliche darunter unser gemeinsames Hobby: Hühner. Als ich erzählte, dass wir keinen Stromanschluss im Hühnerstall haben und die armen Hühner an dunken Herbstrabenden manchmal ihren “Stok” nicht finden können, korrigierte mein Beifahrer mich. Während eine Hühnerstange auf Westfriesisch “Stok” genannt wird, sagen die Saterfriesen “Rik” dazu.

Eine Wörterbuchsuche lehrte mich, dass das Wort “Rik” auch auf Westfriesisch und auf Niederländisch vorkommt, auch wenn es in diesen beiden Sprachen ein Schattendasein führt. Es ist mit dem Wort “Rek” verwandt, das auf Niederländisch Gerüst, Regal oder Wäscheständer bedeutet.  Auch ist es mit dem westfriesischen “Rak” für langes, schmales Gewasser verwandt. Das deutsche Verb “reichen” ist auch ein verwandtes Wort. Die Urbedeutung ist wahrscheinlich “lang”: alle verwandte Wörter haben mit Länge zu tun. Auch Saterfriesisch “reke” (heutzutage geben, ursprünglich ‘den Arm ausstrecken’) ist ein verwandtes Wort.

Das saterfriesische Wort “Rik” hat noch weitere Bedeutungen, die mehr oder weniger mit Länge zusammenhängen. Es kann auch eine Strecke oder eine Zeitspanne bedeuten. Wer “Rik” hat, hat Langeweile und ab und zu trifft man eine “Rik”: eine lange, dünne Frau. Die saterfriesische Sprache hat außerdem den Ausdruck “Iek mout do Hannen ap’t Rik sätte”, also: Ich muß die Hühner auf die Stange setzen. Das bedeutet soviel wie: Es wird Zeit für mich, nach Hause zu gehen. Das wäre in meinem Fall nicht mal komplett scherzhaft gewesen. Zwar konnten die armen Hühner selber auf die Stange klettern, ich lege jedoch an dunklen Tagen eine kleine Taschenlampe in den Nachtstall, damit die Hühner die Stange auch finden können. Das hatte ich an dem besagten Tag noch nicht gemacht. “Iek mout do Hannen ap’t Rik ljuchte” (Ich muß die Hühner auf die Stange leuchten) wäre noch angemessener gewesen. Ich schenke den Saterländern diesen Satz gerne für ihren Alltag.

(Auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen.)

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