Fergoaderenge

Henk Wolf, 1.6.2022

Seit etwa einem Jahr schreibe ich die Protokolle der Versammlungen des Oarbaidskring Seeltersk, einer Gruppe von Menschen, die sich gemeinsam für das Saterfriesische einsetzen. Selbstverständlich sind die Protokolle auf Saterfriesisch.

Aber ist das wirklich selbstverständlich? Es stellt sich heraus, dass protokollieren in vor allem gesprochenen Sprachen wie Saterfriesisch noch nicht so einfach ist. Das sehen wir schon an der Überschrift jedes Protokolls. Die lautet auf Deutsch “Protokoll der Versammlung vom [Datum]”.

Wie sagt man ‘Versammlung’ auf Saterfriesisich? Die Saterfriesen sind sich nicht einig. Das Wörterbuch von Dr. Fort erwähnt verschiedene Male das Wort “Fergoaderenge”. Wahrscheinlich ist das eine Ramsloher Variante und haben die anderen Dörfer “Fergaderenge”, diese Abwechslung von oa-a kommt in vielen Wörtern vor. Die Saterfriesen von heutzutage kennen jedoch weder die eine, noch die andere Variante. Wahrscheinlich geht es hier um ein veraltetes Wort. Doch haben wir uns bis auf weiteres auf dieses Wort geeinigt, einfach, weil wir keine bessere Alternative haben.

Vermutlich ist ‘Ferg(o)aderenge’ ein Lehnwort aus dem Niederländischen, das ‘Vergadering’ hat. Auch Westfriesisch hat dieses Wort, aber anders als im Saterfriesischen ist es in dieser friesischen Sprache kein unbekanntes Wörterbuch-Wort aus vergangenen Zeiten, sondern ein alltägliches Wort, aus das sogar ein wenig herabgesehen wird.

Warum herabgesehen? Das hat damit zu tun, dass Westfriesisch auch Amtssprache ist. Für viele niederländische Lehnwörter wurden im 20. Jahrhundert Alternativen erfunden. Für Versammlung wird das Wort ‘Gearkomste’ stark empfohlen. Wer statt ‘Vergadering’ ‘Gearkomste’ sagt, zeigt damit, dass er Westfriesisch als Kultursprache ernst nimmt. In der gesprochenen Sprache stoßen Westfriesen, die auf ‘Vergadering’ beharren, schon auf Kritik, in der geschriebenen Sprache wird das Wort sogar richtig verpönt.

Daher ist es witzig, dass für ‘Fergoaderenge’ in der saterfriesischen Sprache genau das Gegenteil gilt.

(auch als Kolumne im General-Anzeiger erschienen)