Ikke
Henk Wolf, 9.11.2023
Das hochdeutsche Wort “ich” lautet in den Nachbarsprachen Niederdeutsch, Niederländisch, Westfriesisch und Nordfriesisch “ik”. In diesen Sprachen hat es den alten k-Laut erhalten, der im Hochdeutschen zu ch geworden ist.
Es gibt jedoch im Niederländischen und im Westfriesischen noch eine zweite mögliche Übersetzung, nämlich “ikke”. Dieses Wort wird kaum als Subjekt in einem Satz verwendet. Auf Niederländisch sagt man zum Beispiel nicht: “Ikke spreek Nederlands”. Stattdessen wird “ikke” vor allem als Ausruf verwendet: Wenn eine Mutter fragt, wer Lust hat in den Tiergarten zu fahren, rufen alle Kinder: “Ikke!”
Der westfriesische Sprachforscher Pyt Kramer hat vierzig Jahre lang Gespräche mit Saterländern aufgezeichnet, die ältesten schon in den sechziger Jahren. Für ihre Arbeit für die Beschreibung der saterfriesischen Grammatik durchforschen die Sprachwissenschaftler Bouke Slofstra und Eric Hoekstra von der Fryske Akademy in Leeuwarden die Tonaufnahmen von Kramer. Dabei stoßen sie ständig auf neue Entdeckungen.
Eine solche Entdeckung ist, dass auch Saterfriesisch über dieses ausrufende “Ikke” verfügt – oder dies wenigstens vor einigen Jahrzehnten noch zu seinem Wortschatz rechnete. In einem Gespräch erzählt ein alter Saterländer über einen Vorfall an der Grenze, wo ein Zollbeamter fragt, wer noch etwas zu verzollen hat. Ein Saterländer ruft darauf: “Ieke! Twäin Skinke!” (“Ich! Zwei Schinken!)
Die Kollegen der Fryske Akademy fragten sich zuerst, wo dieses “Ikke” herkommt. Zuerst dachten sie, dass es eine alte Form ist, die immer neben dem kürzeren “Ik” existiert hat. An entfernt verwandten Wörtern wie dem lateinischen “ego” kann man nämlich noch sehen, dass das Wort für ich früher länger war. Dies ist jedoch unmöglich, da “Ikke” erst vor wenigen Jahrhunderten in den Sprachen unserer Region auftaucht. Der Wunsch, das Wort extra zu betonen, hat die Verlängerung von “Ik” zu “Ikke” wahrscheinlich angeregt.
(auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen)
Up Ōstfräisk Plat is däi ūtraup “iek” /^ɪˑək/ in stē fan “ik”. Me säeğ dan ōk wal: “wel iek?!” as bītōnen. In ‘t Ōverläidenerland un Raiderland selden no “ikke”.