Im Versteck kann eine Sprache nicht blühen

Henk Wolf, 5.12.2022

Neulich war ich auf einer Veranstaltung in Kiel. Das schleswig-holsteinische Niederdeutschsekretariat hatte zu einem Treffen eingeladen und im Mittelpunkt standen die einheimischen Sprachen der Bundesrepublik, also neben Deutsch Niederdeutsch, Dänisch, Nieder- und Obersorbisch, Romanes, Nordfriesisch und Saterfriesisch. Alle diese Sprachgruppen hatten Vertreter geschickt und einige Hunderte Interessierte füllten den großen Raum im Landtagsgebäude des nördlichsten Bundeslandes.

Die Grußworte der Prominenten – übrigens ein für mich als Niederländer etwas merkwürdiges kulturelles Phänomen des deutschen Sprachraums – waren bis auf einige symbolische Sätze auf Hochdeutsch, aber die Moderatorin sprach konsequent Plattdeutsch. Das freute mich sehr, denn man kann eine Sprache nicht in Ernst fördern und dann für die Kommunikation eine andere Sprache verwenden. In der Provinz Fryslân wäre bei einer solchen Veranstaltung Friesisch auch die übliche Wahl gewesen und viele der anwesenden Schleswig-Holsteiner sprachen auch Platt, aber nicht alle waren damit einverstanden, auch nicht unter denen, die sich professionell fürs Niederdeutsche oder für andere Kleinsprachen einsetzen.

Ein junger Mann sagte – auf Plattdeutsch – ihm wäre es lieber gewesen, wenn die Moderation auf Hochdeutsch stattgefunden hätte, denn dann hätten alle sicherlich alles verstanden. Das kann ich natürlich nachvollziehen, aber was kann man bei der Moderation eigentlich falsch verstehen? Man kündigt einen Sprecher an, stellt die Sängerin vor, bedankt sich bei den Anwesenden – ziemlich vorhersagbar, es ist keine Komik-Show voller Witze, die da aufgeführt wird.

Und auch: Muss jedermann immer alles verstehen? Man kann auch sagen, dass Niederdeutsch in Norddeutschland einfach genau so sehr zum Alltag gehört wie Hochdeutsch und dass die, die Sprache nicht verstehen, eine Bildungslücke haben – eine für die man zwar Verständnis haben soll, die jedoch nicht dazu führen muß, dass man ständig auf die eigene Sprache verzichtet.

(Auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen.)