Kühe auf Saterfriesisch
Henk Wolf, 27.3.2024
In allen modernen friesischen Sprachen hat das Wort für Kuh eine besondere Mehrzahlform. Die Westfriesen reden von einer “ko” oder “kû”, aber von zwei “kij”. Die Nordfriesen auf dem Festland um Niebüll herum haben eine “kü” und zwei “kee”. Auf der nordfriesischen Insel Föhr hat man eine “kü” und zwei “ki”.
Die oben erwähnten unregelmäßigen Mehrzahlformen kommen unmittelbar aus der altfriesischen Ursprache, die im Mittelalter in einer breiten Streife entlang der Nordseeküste gesprochen wurde. Die damaligen Friesen hatte nämlich eine “ku” und zwei “ki”. Aus diesen Urwörtern sind die meisten abweichenden Mehrzahlformen von heute entstanden.
Das Saterfriesische weich jedoch ab. Es hat zwar auch eine unregelmäßige Mehrzahl des Wortes “Ku” (Kuh), aber diese lässt sich nicht aus dem altfriesischen “ki” ableiten. Die Saterfriesen sagen nämlich “Bäiste” für Kühe.
Dieses Wort wurde schon in Mittelalter aus dem Französischen übernommen, wo man damals “beste” sagte. Im heutigen Französischen ist das zu “bête” geworden. Im Hochdeutschen lebt es als “Biest” weiter, obwohl mit einer etwas anderen Bedeutung. Im Westfriesischen ist es das übliche Wort für Tier geworden: ein Tierpark heißt auf Westfriesisch “bistetún”. Im Nordfriesischen kann “bäist” auch Kuh bedeuten und auch in vielen niederdeutschen Mundarten gibt es Wörter wie “Beest” in der Bedeutung Rind. Diese sind zwar üblich, aber sie haben das etwas umgangssprachlichere “Koh” nicht ersetzt.
Im Saterfriesischen hat die Mehrzahlform “Bäiste” die alte Mehrzal von “Ku” jedoch völlig verdrängt. Völlig? Das dachten wir, denn die Nachschlagewerke verzeichnen die alte Mehrzahl nicht. In den von Pyt Kramer im 20. Jahrhundert aufgezeichneten Gesprächen auf Saterfriesisch finden wir jedoch noch das Wort “Kiebäiste”, also mit einer doppelten Mehrzahl: das ausgestorbene “Kie” und das heutige “Bäiste” zusammengeschweißt. Aus den Notizen Kramers geht hervor, dass damit weibliche Kälber bezeichnet wurden.