Mitteilungen aus dem Saterfriesisch-Büro

Minderheitensprachen, KI und Musikproduktion

Marc Wübbenhorst, 13.2.2025

Minderheiten- und Regionalsprachen wie das ostfriesische Plattdeutsch und das Saterfriesische stehen vor der Herausforderung, in modernen Medien und der Musiklandschaft präsent zu bleiben. Ihre feinen sprachlichen Nuancen, Mehrdeutigkeiten und idiomatischen Wendungen lassen sich jedoch nur schwer digital generieren. Bisher ist keine generative KI fähig, „selbständig“ saterfriesischen oder ostfriesisch-plattdeutschen Text zu verarbeiten. Seit einiger Zeit gibt es Programme, die Texte in Musik umsetzten können. Ich habe einen Weg erarbeitet, mithilfe der KI ostfriesisch-plattdeutsche Musik zu produzieren.

Henk Wolf hat diese Idee bereits diskutiert und darauf hingewiesen, dass KI (musikgebende) generative künstliche Intelligenz) eine Möglichkeit für das Saterfriesische bieten kann. Ich habe dieses Thema jedoch weit darüber hinaus vertieft: Ich nutze KI als Hilfsmittel, um plattdeutsche Musik völlig neu zu denken. Mein Ansatz zeigt, dass KI- gestützte Musik nicht nur Fortführung unterstützt, sondern auch das Besetzen neuer Domänen in neuen musikalischen Kontexten fördern kann.

Die Herausforderung liegt darin, dass KI-Systeme bisher keine ostfriesisch-plattdeutschen oder saterfriesischen Texte generieren können, die zudem noch den sprachlichen Besonderheiten gerecht werden. Musikgebende Programme können das Saterfriesische oder Ostfriesisch-Plattdeutsch bisher nicht richtig in Gesang umwandeln. Hier ist auch die dialektale Vielfalt ein Hindernis. Ich löse dieses Problem durch eine Kombination aus KI-generierten musikalischen Strukturen und handwerklich geschriebenen Texten, für die ich einen eigenen Prompt und eine Methode der Nachbearbeitung entwickelt habe. Meine Musikstücke basieren völlig auf handgeschriebenen Texten, die KI liefert dazu die passende Stimme und die Musik.

Ich nutze die Technologie, um Melodien und musikalische Atmosphären zu schaffen, während die sprachliche Feingestaltung also weiterhin in menschlicher Hand liegt. Im Prinzip ist es wie ein Werkzeug, vergleichbar mit dem Synthesizer. Ich habe aufgrund der Fülle der bisher produzierten Musik das Label marque music gegründet. Obwohl ich in Bielefeld wohne, bin ich ostfriesisch-plattdeutscher Muttersprachler und unterrichte Niederländisch, Friesisch und Deutsch.

Meine Musik führt zu einzigartigen Ergebnissen, die sowohl die emotionale Tiefe, Mehrdeutigkeiten und Sprechgewohnheiten der Sprache und als auch moderne Hörgewohnheiten berücksichtigen und weiter ausloten und völlig neue Werke sind: So entstanden 30 Tango-Stücke und zwei Dark-Wave-Alben, neben Country und Schlager und anderen Hierzu entwickelte ich die Personas „Geert Jansen“ und „Marijke Jansen“, die als künstliche Interpreten ihre eigene Stimmfarbe, Themenwelt und Charaktere haben. Besonders wichtig war mir hier, dass die Songs eine emotionale Tiefe erhalten, zu der die KI nicht im Stande ist. Es sind eben um echte Gefühle. Wichtig war es, dass die Musik ausgetretene Pfade verlässt: Es ginge mir nicht um das hundertste Lied „achtern Diek bün ik Tohuus“ zu trällern, sondern um marktgängige, framingfreie Texte aus allen Genres, die im besten Fall radiotauglich sind.

Die Postproduktion dieser Musik ist durchaus aufwendig: KI liefert solide Entwürfe, die dann gezielt nachbearbeitet werden. Die Texte müssen adaptiert, Betonungen angepasst und Klangfarben auf die sprachlichen Eigenheiten abgestimmt werden. Das Resultat sind Lieder, die  moderne Klangwelten erschließen und bestimmte Muster der bisherigen Musik verlassen. Zum Teil wurden die Lieder auch durch Musikvideos ergänzt.

Ein wichtiger Aspekt dieses Ansatzes ist die Überwindung der strukturellen Benachteiligung von Minderheitensprachen in bzw. durch textgebende KI-Systemen. Während große Sprachgemeinschaften von einer Fülle an KI-generierten Inhalten profitieren, bleibt der Anteil für kleinere Sprachen gering. Durch gezielte künstlerische und sprachwissenschaftliche Eingriffe kann diese Kluft jedoch teilweise überbrückt werden. Und das gelingt annähernd gut. Marijke Jansen hat einen leichten niederländischen Akzent, aber dann kommt sie eben aus Neuschanz.

Mit der Kombination aus Musik, Sprache und Technologie möchte ich zudem neue Verbindungen zwischen Sprachgemeinschaften schaffen. Plattdeutsche Musik erreicht inzwischen auch Hörer in den Niederlanden, hier bei ist es durchaus hilfreich, das die Texte wenige Wörter aus dem Deutschen beinhalten und für Niederländer*innen mit Nedersaksies-Kenntnissen gut zu verstehen sind. Nicht nur deswegen läuft die Musik auch in den Niederlanden im Radio. Sie hört sich auch gut an und ist tanzbar.

Es berichteten Radio Ostfriesland und der NDR über das Projekt. Ebenso freuen sich Passiv-Sprecher des Niederdeutschen über Marijke Jansens Schlagertexte. Solche Projekte zeigen, dass innovative Mediennutzung nicht nur künstlerisch bereichernd ist, sondern auch einen Beitrag zur Zukunft von Minderheitensprachen leisten kann. Für das Saterfriesische kann dies ein gutes Beispiel sein.

Für die weitere Professionalisierung dieses Ansatzes und der kreativen Arbeit an Wort und Klang werden zur Zeit Projektförderer gesucht.

Beispiele

https://www.youtube.com/watch?v=LGsDHSyDCoQ

https://www.youtube.com/watch?v=8UgvYGYBUJY
83 01 WKDA DE CELEB Rainer 16×9 Broad M25+

Spotify – Katalog und zum hören

https://open.spotify.com/intl-de/artist/0jkdbPwUdHxbnU0qhdCupw

Marc Wübbenhorst / Projektseite

www.marc-wuebbenhorst.de


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