Sprachausbau

Henk Wolf, 28.2.2023

Ich bin Gründer und Mitglied eines Arbeitskreises für Saterfriesisch. Dieser “Oarbaidskring Seeltersk” kommt ein paar Mal im Jahr zusammen und beschäftigt sich inzwischen mit einer Unmenge an Aufgaben. Eine davon ist der Ausbau der saterfriesischen Sprache.

Das ist kein Ziel an sich, sondern eine logische Folge von vielen Bitten, Sachen ins Saterfriesische zu übersetzen. Mehrere Organisationen habe mich gebeten, Texte auf Schildern in Gebäuden zu übersetzen und für solche Aufgaben suche ich immer gerne die Unterstützung des Arbeitskreises.

Dann stellt sich heraus, dass die einfachsten Sachen schwer zu übersetzen sein können. Was sagt man dann auf Saterfriesisch zu einem “Service-Raum” oder zu einer “Umkleidekabine”? Auch Protokollieren in Versammlungen auf Saterfriesisch ist nicht immer selbstverständlich: wir haben eine Weile suchen und nachdenken müssen, bis wir uns auf “Fergoaderenge” für Versammlung und “Dai-Ordenge” für Tagesordnung geeinigt haben.

Jede Sprache, die sich emanzipiert, muß durch diese Ausbauphase hindurch. Als Deutsch Kirchen-, Amts- und Wissenschaftssprache wurde, haben Sprachbauer sich mit solchen Fragen beschäftigt und viele Begriffe, die sie gewählt haben, gehören jetzt zu unserem Alltag. Für Westfriesisch hat dies im 19. Jahrhundert angefangen und im 20. Jahrhundert hatte die Fryske Akademy sogar einige Jahrzehnte lang ein Sprachbüro, das neue Wörter entwickelte oder alte, vergessene Wörter wiederentdeckte. Viele solcher Wörter wurden in der Literatur und von den friesischsprachigen Medien übernommen. Westfriesische Neuschöpfungen wie “Gearkomste” für Versammlung und “Wurklist” für Tagesordnung sind heutzutage allgemein bekannt.

Damit stößt man auf ein merkwürdiges Paradoxon: um abzusichern, dass Menschen ihre so vertraute, bedrohte Muttersprache in Zukunft noch reden können, muß sie irgendwie fremder gemacht werden. Sie muß nämlich verstärkt werden und sich in Bereichen entwickeln, in denen Hochdeutsch längst dominiert. Für diese Verstärkung ist ein Ausbau notwendig, die die eigene Sprache um weniger vertraute Neuschöpfungen erweitert.

(mit einem anderen Wortlaut auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen)