Sprachen, die sich gegenseitig im Weg stehen

Henk Wolf, 7.12.2021

Viele Menschen, die eine neue Sprache aktiv lernen, beklagen sich darüber: die neue Sprache vermischt sich im Kopf mit einer, die man schon länger sprechen konnte – oder wenigstens ein bisschen sprechen konnte – und man bringt die beiden Sprachen ständig durcheinander.

Im November habe ich bei einer saterfriesischen Konversationskurs mitgemacht, damit ich die Sprache fließender sprechen kann und damit Fehler, die ich mir angeeignet habe, korrigiert werden können. Der Kurs hat mir gut gefallen, aber beim Großteil der Teilnehmer war von dieser “Sprachenverdrängung” oder von diesen “Sprachenringen” im Kopf die Rede.

Zwei deutschsprachige Teilnehmerinnen mit Niederländischkenntnissen sagten, dass sie diese Sprache ständig mit Saterfriesisch vermischten. Beide sind gebürtige Saterländerinnen, die Saterfriesisch problemlos verstehen können, aber sobald jetzt die Sprachhürde überwunden wird, fängt die Sprache an, mit dem Niederländischen zu konkurrieren.

Bei mit haben Saterfriesisch und Nordfriesisch einander als Boxpartner ausgesucht. Gestern rief eine Dame bei mir an, die Nordfriesisch sprach. In dieser in Schleswig-Holstein gesprochenen Sprache habe ich in den vergangenen drei Jahrzehnten unzählige stundenlange Gespräche geführt, ich habe sie unterrichtet, habe sogar an einem Lehrbuch und einer Wörterliste mitgeschrieben. Ich sprach sie fließend und fast fehlerfrei, aber gestern kam bei mir nur eine Mischung von Nord- und Saterfriesisch heraus: dät statt dåt, kweede statt seede, nit statt ai – es hatte mit Nordfriesisch wenig mehr zu tun.

Zum Glück ist dieses Verdrängungsphänomen vorübergehen. Das weiß ich aus der Literatur, aus Erfahrungen meiner Studenten und Kollegen und auch aus eigener Erfahrung: als ich Spanisch gelernt habe, hat es sich mit Russisch gerungen, aber nach einiger Zeit sind die beiden Sprachen außerhalb des Boxrings selbständig weitergegangen. Russisch hat sich auch mal mit Nordfriesisch gerungen und auch diese Sprachen haben sich in meinem Gehirn wieder von einander gelöst. Angst, dass mein Nordfriesisch endgültig weg ist, muß ich denn auch nicht haben, nur Geduld.