Veränderung und Gleichbleiben

Henk Wolf, 22.7.2022

Es gehört zur menschlichen Neigung, sprachlich anzudeuten, ob von einer Veränderung die Rede ist. Wenn ich mich nicht von der Stelle bewege, bin ich “im Saterland” (Dativ), aber wenn ich meinen Aufenthaltsort ändere, bewege ich mich “ins Saterland” (Akkusativ). Ein Engländer, der still auf dem Dach sitzt, sitzt “on the roof”, aber sobald er seinen Sitzplatz ändert, geht er “onto the roof”. Ein Russe, der beim Fahren war, “jechal”, aber sobald er seine Fahrtätigkeit abgeschlossen und durch eine andere Aktivität ersetzt hat, sagt man, dass er “pojechal”.

Neulich haben die Sprachwissenschaftler Eric Hoekstra und Bouke Slofstra entdeckt, dass Saterfriesisch eine ganz eigene Weise hat, um Veränderung anzudeuten, und zwar bei Wörtchen wie “in/an/auf” und so weiter.

Die saterfriesische Nachteule sagt zum Beispiel: “Wie sunt noch appe” (wir sind noch auf). Es ändert sich hier nichts und für “auf” wird dann “appe” gesagt. Ändert sich jedoch etwas, zum Beispiel wenn die Sonne aufgeht, dann sagt der Saterfriese: “Ju Sunne gungt ap”. Auf einmal kann man “appe” nicht länger verwenden, jetzt sagen die Saterfriesen nur “ap”.

Saterfriesisch hat verschiedene Wortpaare, die das gleiche bedeuten, die man jedoch nicht verwechseln kann, weil das eine Wort eine Veränderung ausdrückt und das andere ein Gleichbleiben. Die “Veränderungsvariante” ist immer kürzer. Weitere Beispiele sind oane/oun (in), trugge/truch (durch) und ute/uut (aus).

Diese Entdeckung haben die Kollegen Hoekstra und Slofstra gemacht, als sie die neue Online-Grammatik des Saterfriesischen schrieben. Wir haben die Ergebnisse neulich zu dritt auf einer sprachwissenschaftlichen Konferenz in Oldenburg vorgestellt. Sie sind vor allem interessant für Sprachwissenschaftler, die beschreiben wollen, wie unterschiedlich Menschen die angeborende Neigung zum Ausdrucken von Veränderung in ihrer Sprache realisieren. So hoffen wir den menschlichen Geist allmählich besser zu verstehen. Es ist doch schön, dass das kleine Saterfriesisch seinen Beitrag dazu liefern kann.

(auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen)