Vierteshalb Brötchen
Henk Wolf, 3.2.2023
Dass es mehrere Weisen gibt, den Uhrzeigergang zu beschreiben, wissen alle Deutsche, auch wenn sie die Systeme, die sie selber nicht verwenden, oft für unverständlich halten. Wer im Saterland sagt, dass es “dreiviertel neun” oder “viertel ab sechs” ist, stößt wahrscheinlich auf Unverständnis. In Mittel- und Ostdeutschland wird jedoch sofort verstanden, dass “dreiviertel neun” 8:45 Uhr ist, während man in der Schweiz für 18:15 ständig “viertel ab sechs” hört.
Dass man traditionell auch auf mehrere Weisen Bruchzahlen andeuten konnte, ist viel weniger bekannt. Sofern ich weiß, wird im deutschen Sprachgebiet heutzutage für 2,5 überall “zweieinhalb” oder “zweiundhalb” gesagt, also Formen, die eine ganze Zahl nennen und dann die Bruchzahl hinzuzählen. Das wäre die Entsprechung von “viertel nach sechs”: sechs ganze Stunden und dann noch eine Viertelstunde dazu.
Es gab jahrhundertelang jedoch eine zweite Art und Weise. Die funktioniert wie “halb drei” auf der Uhr: man sagt wie weit man zur erstnächsten Zahl hingekommen ist: also halbwegs bis zur dritten Stunde. “Dreiviertel neun” funktioniert auch so: man ist auf Dreiviertel der Strecke bis zur neunten Stunde angelandet.
In den friesischen Sprachen hat dieses System sich viel länger gehalten als im Deutschen. In der Provinz Fryslân kann man heuzutage noch “fjirdeheal” hören. Wörtlich übersetzt wäre das “vierteshalb” oder “viertes Halbes”. Es bedeutet 3,5. Wer also “vierteshalb” Brötchen gegessen hat, hat es nicht ganz bis zum vierten geschafft.
Saterfriesisch muß dieses System bis vor Kurzem auch gehabt haben. Im Wörterbuch von Dr. Marron C. Fort steht zum Beispiel “fiefteholig = 4,5” und “säksteholig = 5,5”. Nachfrage unter einigen Saterländern lehrte mich jedoch, dass dieses System heute nicht mehr verwendet oder gar verstanden wird. Soll jemand unter den Lesern es jedoch noch kennen: bitte melden Sie sich!
Die deutsche Sprache hat übrigens noch einen kleinen Rest vom alten System übrig: “andert” in “anderthalb” bedeutete ursprünglich “zweites”: das zweite Stück Kuchen wurde nur zur Hälfte geschafft, daher 1,5.
(auch als Kolumne im General-Anzeiger erschienen)
Up Ōstfräisk Plat gift/gaf dat dat ōk no:
annerthalf (düütsk: anderthalb, zweithalb)
dārdhalf (düütsk: zweieinhalb, dritthalb)
færdhalf (düütsk: dreieinhalb, vierthalb)
un sō fērer…
Ik heb dat no selden bī oel lüü – in dit gefal oel buren – höört, man ik denk näit, dat dat fandóóeğ no jungerder prōters bīgrīpent of brūkent.