Von Petra die Mutter
Henk Wolf, 12.9.2023
Als ich in den 90er Jahren zum ersten Mal ins Saterland kam, fiel mir eine sprachliche Eigenartigkeit auf. Im ganzen deutschen Sprachgebiet sagt man “Petras Mutter” und “die Mutter von Petra”. Hier in der Gegend wird jedoch auch “von Petra die Mutter” gesagt. Auch im Saterfriesischen hörte ich diese Konstruktion: “fon Petra ju Mäme”. Dass sie als “schlechtes Deutsch” und “schlechtes Saterfriesisch” gesehen wird, mar mir damals noch nicht bewusst. Wo diese Konstruktion heute genau verwendet wir, weiß ich noch nicht, aber auch in Ostfriesland und im Emsland habe ich sie gehört, während Menschen nördlich von Hamburg mir sagen, dass sie sie noch nie gehört haben. Obwohl sie inzwischen von Vierzigern verwendet wird, deuten einige in der Region sie noch als “Jugendsprache” an.
Aus mehreren Gründen ist diese Konstruktion für Sprachwissenschaftler interessant. Vor allem relevant ist, dass Wörter wie “von” (sogenannte Präpositionen) sonst eigentlich immer weiter nach hinten stehen. Man sagt immer “der Sturz vom Berg (tat weh)” und nie “vom Berg der Sturz (tat weh)”. Man sagt auch nicht: “hinterm Haus der Garten (ist schön)” sondern “Der Garten hinterm Haus (ist schön)”. Und “ohne Henkel die Tasse (ist meine Lieblingstasse)” geht auch nicht wirklich. Im Saterfriesischen ist das nicht anders als im Deutschen.
Doch müssen die Wurzeln dieser verpöhnten Konstruktion in der Vergangenheit liegen. Die Sprachforscher der Fryske Akademy, die die Grammatik des Saterfriesischen beschreiben, haben viele, viele alten Sprachaufnahmen belauscht und alte Texte gelesen und darin fanden sie diese Konstrukstion schon vor vielen Jahrzehnten, obwohl sie da noch selten war. Ein altes Beispiel ist “fon sien Bäidene wät” (von seinen Kindern einige), statt des viel üblicheren “wät fon sien Bäidene (spielten im Garten)”. Im Westfriesischen kommt eine (auch nicht sehr übliche) Konstruktion vor, die damit einigermaßen zu vergleichen ist. Zufall? Leider wissen wir es noch nicht.
(Auch als Sprachkolumne im General-Anzeiger erschienen.)