Was macht so ein Saterfriesischbeauftrager eigentlich den ganzen Tag?

Henk Wolf, 27.4.2022

Was macht ein Saterfriesischbeauftragter eigentlich den ganzen Tag, so wird mich ab und zu gefragt. Das ist keine einfache Frage, denn: wer sie heute stellt, bekommt garantiert eine andere Antwort als der, der sie vor einem Jahr gestellt hätte. Ich beantworte sie daher für die vergangen Wochen. Für meine Aktivitäten im Jahr 2021 verweise ich auf den Entwurf-Jahresbericht, den Sie hier finden.

Ich habe eine halbe Stelle: meine offizielle Arbeitstage sind Montags, Dienstags und Mittwoch Vormittags. Wenn es sinnvoll ist, weiche ich davon jedoch ab.

In den vergangenen Wochen fing meine Arbeitswoche meistens um neun Uhr in Ramsloh an, wo ich meine Mails gelesen habe. Dann fuhr ich nach Strücklingen, denn ich halte dort jeden Montag in den Monaten Februar, März und April von 10 bis 12 Uhr Sprechstunde im Mandehuus. Wir trafen uns mit Strücklingern, um uns über Sprache und Geschichte zu unterhalten. Es hat sich inzwischen eine feste Gruppe von Stammgästen gebildet, aber vielfach kamen auch einmalige Besucher vorbei. Viele haben mir alte Fotos, Zeitungsausschnitte und andere wertvolle Sachen zum Archivieren geschenkt. Teile davon werde ich digitalisieren. Ein paar Mal habe ich der Runde im Mandehuus Sprachfragen von der Fryske Akademy oder Fragen für meine eigene Forschung vorgelegt. Weiterhin habe ich alte Geschichten aufgezeichnet, damit die nicht verloren gehen. Einige davon werde ich in nächster Zeit als Kolumnen im General-Anzeiger veröffentlichen.

Montag Nachmittags arbeitete ich im Rathaus. Mich erreichen viele Sprachfragen, vor allem von Journalisten und Studenten. Die versuche ich immer sofort zu beantworten. Diese Woche gab es zwei: eine Studentin möchte für eine Klausur über Saterfriesisch einige Hintergrundinformationen haben und eine Dame aus dem Saarland möchte Saterfriesisch lernen und bat mich um Materialien.

Weiterhin habe ich einige laufende Projekte, denen ich mich in diesen Stunden widme. In den letzten Wochen habe ich vor allem an dem Projektbericht für die Land und Bund, die der Gemeinde Saterland zwölftausend Euro für die saterfriesische Grammatik gespendet haben, geschrieben. Der wurde gestern verschickt.

Das Grammatikprojekt läuft inzwischen weiter und die Autoren schicken mir ab und zu Entwürfe für neue Kapitel, die ich durchlese und kommentiere. Im Juli findet in Oldenburg eine Konferenz statt, wo wir gemeinsam einen Vortrag über saterfriesische Grammatik (insbesondere über die Frage, wann man Adverbien wie uut und wäch ein -e anhängt, wie in ute, wäge). Die Kollegen in Leeuwarden haben einen Entwurf für den Vortrag geschrieben und ich habe sie diese Woche zum Teil gelesen und kommentiert. Heute (Mittwoch) mache ich damit weiter.

Es steht auch ein neues Seelter Kneipen-Quiz an. Dafür habe ich gestern die bereits im Dezember angemeldeten Teams angeschrieben, denn die dürfen sich vorrangig anmelden, da das Quiz wegen der Corona-Lage im Dezember leider ausfiel. Nächste Woche treffen wir uns mit dem Orga-Team, um die Einzelheiten zu besprechen.

Ein weiteres Quiz findet im Mai beim Friesen-Treffen auf der Insel Helgoland statt. Thema: Sprachen, Kulturen und Geschichte der Frieslande. Heute habe ich der Organisation Fragen über das Saterland und die saterfriesischen Sprache geschickt. Als wahrscheinlich einziger Mensch, der West-, Nord- und (wenn auch noch nicht perfekt) Saterfriesisch spricht, werde ich das Quiz moderieren.

Dienstags bin ich ab dieser Woche wieder im Saterland, aber in den vergangenen Monaten hab ich diesen Tag vor allem in Leeuwarden verbracht, wo ich für Friesischstudenten der NHL Stenden Hogeschool das Seminar “Sprachen und Kulturen der Frieslande” geleitet habe. Eine Gruppe von dreizehn Studenten hat mitgemacht und sich zehn Wochen lang in die saterfriesische und nordfriesische Sprache, Kultur und Geschichte vertieft. Gäste während des Unterrichts waren Wolter Jetten (Autor eines Lehrbuchs für Saterfriesich), Tessa Leppers (Ko-Autorin der neuen saterfriesischen Grammatik) und Britta Reifferscheidt (Friesischstudentin in Kiel). Am 8. März haben die Studenten und ich eine Führung durchs Saterland gemacht. Dabei standen das Seelter Leerpaad in Sedelsberg, ein Saterfriesischkurs durch Veronika Pugge, ein Gespräch mit der Sedelsbergerin Malin Knelangen, ein Empfang durch Bürgermeister Thomas Otto, ein Quiz durch Stephan Dannebaum, ein Besuch ans Schulzentrum und ein Spaziergang bei Imkehörn auf dem Programm. Das Seminar wurde letzte Woche mit m¨ündlichen Prüfungen abgeschlossen. Gestern Abend habe ich die eingereichten Klausuren und die Prüfungen bewertet und der Hochschule die Noten zugeschickt.

Lobby-Arbeit ist für die saterfriesischen Interessen auch wichtig: Ende März habe ich eine Online-Versammlung mit Bundestagsmitglied Stefan Seidler und Vertretern der saterländischen Gemeinschaft und der Oldenburgischen Landschaft organisiert – eine sehr schöne und vielversprechende Versammlung! Heute habe ich einen Entwurf für einen gemeinsamen Brief von saterfriesischen Organisationen an die neue Bundesbeauftragte für Minderheiten geschrieben, der nächste Woche verschickt werden soll. Weitere Kontakte mit Politikern stehen an.

Wissenschaft mache ich zwischendurch auch: für das Wörterbuch der Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK) von De Gruyter habe ich drei Artikel geschrieben, die mit dem Saterfriesischen zu tun haben. Weiterhin habe ich Anfang diesen Jahres zwei wissenschaftliche Artikel über Pronomina im Saterfriesischen geschrieben, die ich im Februar den Redaktionen von sprachwissenschaftlichen Zeitschriften angeboten habe.

Saterfriesischkurse waren auch ein sehr wichtiges Thema in den vergangenen Wochen: ich habe 7.500 Euro beim Land beantragt. Der Antrag wurde bewilligt und dadurch können wir jetzt professionelle Saterfriesischkurse anbieten und die Dozenten ordentlich bezahlen. Der Seelter Buund, die Dozentinnen und ich haben in den vergangenen Wochen für dieses Jahr vier Anfängerkurse vorbereitet. Übernächste Woche fangen wir an, den Lehrplan nach dem Gemeinsamen Europäischen Rahmen (GER) umzugestalten, damit alle wissen, welche Sprachkenntnisse mit dem vom Seelter Buund zu vergebenen Kurszertifikat verbunden sind. Ein weiterer Seeltersk-Kurs fürs nächste Jahr steht auch schon an.

Die Digitalisierung geht auch weiter: gestern habe ich die Online-Version vom friesischen Sprachkurs Seeltersk von Johanna Evers kapitelweise eingescannt und im Internet veröffentlicht. Vor ein paar Wochen habe ich das Buch “Sealterlân, in geakindige skets” von Jacob Botke ebenfalls digitalisiert.

Im März haben Thomas Otto, Johanna Evers, Karl-Peter Schramm und ich die Experten-Kommission des Europarates für die Umsetzung der europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen über die heutige Lage des Saterfriesischen informiert.

Dann schreibe ich noch jede Woche eine Sprachkolumne in der Reihe Seeltersk für den General-Anzeiger, besuche Konferenzen und Veranstaltungen, verschicke Pressemitteilungen, bearbeite die Website seeltersk.de, telefoniere mit Saterfriesen und Kollegen in Oldenburg über alles mögliche, leite gute Ideen aus der saterfriesischen Gemeinde an die relevanten Personen weiter und vergesse vermutlich auch viele von den kleinen Sachen, die meine Arbeitstage so wundervoll und abwechslungsreich machen. Einen schöneren Job könnte ich mir eigentlich nicht wünschen.