Mitteilungen aus dem Saterfriesisch-Büro

Leerpaad Kretzeldobbe

Hören Sie hier ein Lied zu der Kretzeldobben-Erzählung:

Hier lesen die (etwas verkürzte) Erzählung über den Kretzeldobbe, wie sie von Ludwig Strackerjan aufgezeichnet wurde:

Vor etwa 240 Jahren, als die Mansfelder in Ostfriesland waren, machten sie manchmal einen Ausfall nach dem Saterlande, und wenn sie sonst nichts fanden, was des Mitnehmens werth war, schleppten sie wohl Männer weg, von denen sie vermutheten, daß sie Geld im Hause hätten, und schrieben dann, wie viel es kosten müsse, daß sie wieder los kämen; sonst mußten sie sitzen und erhielten noch alle Tage Schläge dazu.

In solcher Art kamen auch einst zwei Mansfelder nach Scharrel in Meyers Haus, das damals das einzige Wirtshaus war, und es saß grade der ganze Feuerherd voll von Leuten, die ihr Bier dort tranken. Als die Gäste die Soldaten kommen sahen, schlichen sie aus dem Hause fort und ließen Meyers Hinrich mit seiner Frau allein bei den Mansfeldern im Hause. Nun hatten die Mansfelder auch Durst und tranken Bier aus zinnernen Kannen, die damals Klippen hießen. Meyers hatten damals gutes Bier, darum saßen die Mansfelder länger und tranken mehr Bier als sonst wohl, und die Frau fand Zeit, jedesmal, wenn sie in den Verschlag ging, wo das Bierfaß lag und wo auch die Mansfelder ihre Gewehre hingestellt hatten, einen Stein von einem Gewehr-Schlosse abzuschrauben.

Nun sollte es auf den Abzug gehen, und einer von den Mansfeldern trank Hinrich noch einmal zu und sprach “Prost, Hinrich! trinke noch ein Viertel aus der Klippe, wir müssen jetzt aufbrechen, und dann mache dich bereit mitzugehen.” Hinrich trank noch einmal tüchtig und schlug mit der Klippe den einen links, den andern rechts, daß die beiden neben ihm zur Erde stürzten. Die Soldaten sprangen wieder auf und griffen nach den Gewehren, aber “klick, klick!” machte es, und kein Schuß wollte heraus. Derweil griff Hinrich einen der Dreschflegel, die in der Nähe hingen, sprang vor die Soldaten und rief: “Der erste, der sich rührt, ist des Todes!” Als die Soldaten merkten, daß sie nichts gegen ihn ausrichten konnten, hielten sie Ruhe, und es blieb ihnen nichts übrig, als sich gefangen zu geben.

Als die Scharreler Gäste, die sich weggeschlichen hatten, durchs Fenster sahen, daß Hinrich der Mansfelder Meister war, kamen sie auch und wollten ihm helfen, aber Hinrich schalt sie tüchtig aus und sprach “ihr bangen Teufel, nun kommt ihr, da ich keiner Hülfe mehr bedarf; das macht mir nicht mehr aus als ein Haar auf dem Kopf, oder ich schlage euch in einander wie alt Eisen. Aber doch, ihr könnt mir noch helfen, wir binden ihnen Hände und Füße zusammen, und dann sollen sie zum Gerichte nach Kloppenburg gebracht werden.”
Und das taten sie. Was aber aus den Mansfeldern geworden ist, weiß man nicht. Einige sagen, sie seien geköpft, andere, sie hätten die Richter bestochen, und die hätten sie laufen lassen.

Bei Scharrel nahe am Esche liegt eine sumpfige Wiesenfläche, die Worßene genannt, und in einem Krätsel genannten Theile dieser Fläche befindet sich ein stehendes Wasser, der Krätseldobbe.

Als die Mansfelder in Ostfriesland waren, kamen einmal ein paar hundert von ihnen herüber und nahmen den Scharrelern ihre Glocke aus dem Thurme und zogen damit fort. Die Männer von Scharrel waren grade nicht zu Hause, und die zu Hause waren, mußten mit guten Augen ansehen, wie sie die Glocke aus dem Thurme heraus arbeiteten und Anstalt machten, wie sie sie wegbrachten. Derweil die Mansfelder mit der Glocke unterwegs und schon zwischen Scharrel und Hollen waren, kam aber das Volk zu Haufe. Da sagte einer “sollen wir uns unsere gute Glocke nehmen lassen von so wenig Volk? das darf nicht sein! Halloh, hinternach!” Sie waren auch gleich bereit, holten die Mansfelder bald wieder ein und nahmen ihnen die Glocke mit Gewalt fort, und klopften die Soldaten, daß sie Reißaus nahmen.

Als sie die Glocke wieder in Scharrel hatten, sprach der eine, der das Wort führte: “Damit ist es nicht genug, daß wir ihnen die Glocke wieder abgenommen haben. Wir haben es jetzt nur mit zweihundert zu thun gehabt, aber nicht lange, dann kommen zweitausend, und dann mussen wir sie doch hingeben. Wenn wir sie nicht auf die Seite bringen; dann wird das Letzte noch schlimmer als das Erste, und das Geld, das in Scharrel ist, nehmen sie dann auch noch mit. Wir thun am besten, wenn wir alles Geld, das wir haben, zusammen bringen und in die Glocke legen und die Glocke, das unterste oben, in den Krätseldobben versenken und legen einen Stein darauf. Wenn sie dann auch wiederkommen, können sie doch nichts finden, und hernach bei ruhiger Zeit holen wir dann die Glocke mit dem Gelde wieder heraus.”

Der Anschlag gefiel und wurde ausgeführt. Hernach als die Mansfelder aus der Gegend fort waren, wollten sie denn auch die Glocke mit dem Gelde wieder heraus holen, aber was war geschehen? Die Glocke mit dem Gelde und dem Steine war so tief in den weichen Grund hineingesunken, daß wohl haushoch Wasser darüber stand. Es war unmöglich, die Glocke wieder herauf zu holen, und so soll sie mit Geld und Stein noch heute darin stecken. Vor etwa siebenzig Jahren kam es einigen aus Scharrel in den Sinn, den Dobben los zu schöpfen, und sie brachten es auch so weit, daß sie den großen Stein, unter welchem die Glocke liegen soll, zu sehen bekamen, und einige haben sogar auf dem Stein gestanden. Nun ging es an ein Lärmen, daß die Leute im Dorfe es hörten; sie rannten alle herzu und wollten mit zu dem Gelde gehören. Das wollten die ersten nicht zugeben, und es wäre beinahe eine Schlägerei entstanden, und der Quell im Dobben warf sich so stark auf, daß sie das Wasser nicht länger zwingen konnten, sie mußten es nothgedrungen zugeben und ließen liegen, was da lag. Und so liegt es noch, der Dobben ist wieder voll Wasser und ans Losschöpfen wird nicht mehr gedacht.